đŸ•Żïž Brösel und der Archivar der verlorenen Stunden

Hauskirchen Geschichtenarchiv Teddy Reporter

đŸ•Żïž Brösel und der Archivar der verlorenen Stunden

Es war einer jener Abende, an denen selbst die Ziegel des alten Turms zu seufzen schienen.
Brösel hatte sich, auf der Suche nach einer Geschichte ĂŒber verschwundene Uhrzeiger, tiefer ins Geschichtenarchiv gewagt, als er eigentlich wollte. Die Treppe knarrte wie ein alter Frosch, und in den Ecken glitzerten Spinnweben wie Sternschnuppen, die zu mĂŒde waren, um zu fallen.

„Hallo?“, rief Brösel in die Dunkelheit.
Seine Stimme hallte zwischen Regalen voller vergilbter BlĂ€tter, in denen die Geschichten der vergangenen Jahrhunderte schlummerten. Geschichten ĂŒber Feste, SchneestĂŒrme, erste KĂŒsse und letzte Abschiede, alles fein sĂ€uberlich in Schachteln verpackt, mit Etiketten wie ‚TrĂ€ume, leicht verstaubt‘ oder ‚GerĂŒchte mit Herzklopfen‘.

Und dann hörte er es.
Ein Rascheln. Kein gewöhnliches, sondern ein bestimmtes, ordentliches Rascheln. Wie das UmblĂ€ttern einer Seite, das schon hundert Jahre geĂŒbt hat, still zu sein.

„Hatschi!“
Brösel zuckte zusammen. Aus der Dunkelheit lugte eine Nase hervor. Dann ein Paar BrillenglĂ€ser, groß wie Marmeladendeckel. Und schließlich ein Teddy-Kopf mit hellen Haaren, die aussahen, als hĂ€tten sie schon viele BĂŒcher durchstöbert.

„Sieh mal einer an“, brummte der Fremde. „Ein Teddy mit Taschenlampe. Das hatte ich seit 1923 nicht mehr.“

Brösel, der in solchen Momenten nie um Worte verlegen war, verbeugte sich leicht.
„Brösel. Geschichtenforscher, Entdecker, Zeitreisender in Ausbildung.“

Der fremde Teddy blinzelte. „Benno. Archivar. HĂŒter des Durcheinanders. Und du stehst auf meiner Liste fĂŒr ungeplante ZwischenfĂ€lle.“


Brösel lachte. Benno nicht. Jedenfalls nicht sofort.

„Na gut“, murmelte er. „Wenn du schon da bist, hilf mir wenigstens beim Sortieren. Ich habe gerade die verlegten Erinnerungen wiedergefunden. Die sind immer so widerspenstig.“

Neugierig beugte sich Brösel ĂŒber den Tisch. Darauf lagen unzĂ€hlige kleine GlĂ€ser mit golden schimmerndem Staub.
„Sind das 
?“
„Erinnerungen, ja. Manche von den alten Hauskirchnern. Wenn man sie öffnet, fliegt manchmal ein Lied heraus. Oder der Duft von frisch gebackenem Brot.“

Brösel schnupperte ehrfĂŒrchtig. „Und das da?“
„Das“, sagte Benno und zeigte auf ein Glas mit grĂŒnlichem Schimmer, „ist der Nachmittag, an dem die Zeit kurz stehenblieb, weil ein Kind zum ersten Mal Seifenblasen sah. Kostbar. RĂŒhr sie nicht an.“

NatĂŒrlich rĂŒhrte Brösel sie an.


Ein leises plopp, ein feines Flimmern und plötzlich schwebten durch den Raum winzige Blasen, die flĂŒsternde Stimmen trugen.
Benno seufzte.
„Ich sag’s ja. Zwischenfall.“

Aber in seinen Augen lag jetzt ein Glitzern, das Brösel sehr mochte.
Sie standen da, der mĂŒrrische Archivar und der unruhige Zeitreisende, mitten im flimmernden Licht tanzender Erinnerungen, die zwischen ihnen umherschwebten wie neugierige Gedanken.

Und Benno sagte leise:
„Na gut. Du bleibst. Aber bring Ordnung ins Chaos, Brösel. Nicht alles, was glitzert, ist eine Geschichte. Manches will einfach nur gehört werden.“

Brösel nickte ernst. Und griff nach seiner Notizfeder.
Denn das war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.
Und, wie sich bald zeigen sollte, der Anfang vieler turbulenter Abenteuer im Geschichtenarchiv.


đŸŒ«ïž Brösels Notiz:
„Manchmal findet man Freunde nicht im Sonnenschein, sondern dort, wo es leicht nach Staub und Wunder riecht.“

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📜 Kapitel II – Die entlaufene Geschichte

Am nÀchsten Morgen war das Geschichtenarchiv so still, dass man den Staub beim Tanzen hören konnte.
Brösel hatte die Nacht auf einem BĂŒcherstapel verbracht, eingerollt wie ein Croissant, und wachte mit einem wohlig-schiefen GĂ€hnen auf.

Benno saß bereits an seinem Arbeitstisch. Ein kleiner, hellgoldener Teddy mit Nickelbrille, SchĂŒrze und einer winzigen Schreibmaschine, deren Tasten leise klackerten wie Regentropfen auf Blech. Neben ihm dampfte eine Tasse, nicht mit Tee, sondern mit warmem Buchstabenkompott. (Er schwor, das halte seine Geschichten geschmeidig.)

„Guten Morgen“, brummelte Brösel verschlafen.
„Zu spĂ€t“, schnarrte Benno, ohne aufzublicken. „Der Morgen hat bereits drei SĂ€tze Vorsprung.“

Brösel lachte. „Du bist wirklich ein Archivar, Benno.“
„NatĂŒrlich. Jemand muss ja Ordnung in eure spontanen Ideen bringen. Gestern hast du die Abteilung Vergessene Freuden durcheinandergebracht. Jetzt lĂ€chelt die Erinnerung an die ersten Erdbeeren stĂ€ndig, obwohl sie gar keine Lippen hat.“

Brösel schĂŒttelte sich vor Lachen.
„Dann lĂ€chle ich eben mit ihr!“


Benno seufzte, drehte sich um und genau in diesem Moment fiel ihm auf, dass etwas fehlte.
Das Regal „Regionale Legenden und andere Wahrheiten“ war offen. Und leer.
Ein einzelnes Blatt Papier tanzte noch im Luftzug, als hÀtte jemand eilig die Flucht ergriffen.

„Brösel!“
„Ich war’s nicht! Diesmal wirklich nicht!“

„Dann lauf!“, rief Benno und griff nach seiner winzigen Lupe. „Die Geschichte ‚Der verschwundene Klang der alten Dorfuhr‘ ist entwischt! Wenn sie sich zu weit entfernt, verflĂŒchtigt sie sich und mit ihr das halbe GelĂ€ut von Hauskirchen!“

„Na, das wĂ€r was!“, grinste Brösel, schon in Bewegung. „Dann wĂ€r’s nachts wenigstens ruhiger!“

„Das ist kein Spaß, junger FlausenbĂ€r!“, schnarrte Benno hinterher, wĂ€hrend er sich mit erstaunlicher Geschwindigkeit auf seinen kurzen Beinen in Bewegung setzte. Sein helles Fell leuchtete im Lampenschein, und seine Brille wippte auf der Nase.


Sie rannten durch die GĂ€nge, vorbei an Regalen mit Aufschriften wie ‚LachanfĂ€lle mit unklarer Ursache‘, ‚Abgebrochene Gedichte‘ und ‚Katzen, die in Geschichten auftauchten, obwohl sie keine Rolle hatten‘.

Aus einem dieser Regale wehte ein leises Kichern.
„Da lang!“, rief Brösel.

Hinter einer TĂŒr mit dem Schild ‚Akustische Erinnerungen‘ flackerte es seltsam.
Als Brösel sie öffnete, stieg ihnen ein warmer Klang entgegen, wie ein Glockenschlag, der sich nicht entscheiden konnte, ob er klingen oder trÀumen wollte.

Und mitten darin schwebte sie, die entlaufene Geschichte.
Sie sah aus wie eine hauchdĂŒnne Wolke aus Buchstaben, die sich stĂ€ndig neu ordnete.

Brösel streckte vorsichtig die Pfote aus.
„Na komm, kleine Geschichte. Wir bringen dich wieder heim.“

Aber die Geschichte kicherte, drehte sich im Kreis und zischte davon, direkt in den Korridor der unerzÀhlten Möglichkeiten.

Benno japste. „Oh nein! Dorthin verirrt sich sonst nur das Mittagessen vom letzten Jahrhundert!“

Brösel grinste. „Dann wird’s ja spannend!“
Und weg war er, hinterher, mit flatterndem Ohr und leuchtenden Augen.


Benno blieb stehen, sah dem aufgewirbelten Staub nach und seufzte.
„Ich hĂ€tte ahnen mĂŒssen, dass Ordnung nur eine Pause zwischen Abenteuern ist.“

Er setzte seine Brille gerade, packte seine kleine Laterne und folgte Brösel in den leuchtenden Gang.


✹ Brösels Notiz:
„Manche Geschichten wollen nicht gelesen, sondern erlebt werden. Und manchmal muss man ihnen hinterherrennen, auch wenn man dabei fast seinen eigenen Faden verliert.“

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