Warum die Oma die Trauben in den Keller hing
In den alten Häusern mit kühlen Kellern gab es einen einfachen, aber sehr wirkungsvollen Trick: Man hängte Traubenbüschel an Stangen oder Haken, damit sie langsam trockneten und dabei lange frisch blieben. So verwandelte sich der Keller im Herbst in eine duftende Schatzkammer voller goldener und blauer Perlen.
Für uns Kinder war das wie ein geheimer Naschgarten. Zwischen Kartoffeln und Einmachgläsern hingen plötzlich die Reben, die sonst draußen am Stock gewachsen waren. Man musste nur die Hand ausstrecken, und schon hatte man eine kleine süße Beere im Mund. Manchmal noch knackig, manchmal schon etwas runzelig, aber mit konzentriertem, fast honigsüßem Geschmack.
Es war eine Vorratsweise, die ganz ohne Kühlschrank auskam. Die Oma wusste genau: Im Keller war es kühl, trocken und luftig genug, dass die Trauben bis in den Winter hinein hielten. Oft hingen sie dort, bis sie fast zu Rosinen geworden waren. Eine Köstlichkeit, die in Mehlspeisen wanderte oder einfach so vernascht wurde.
Und ja, damals ging man auch etwas robuster mit den Vorräten um: Hatte ein Traubenbüschel ein paar schimmelige Stellen, wurden diese einfach weggeschnitten, und der Rest kam weiterhin auf den Tisch. Das war selbstverständlich, während wir heute viel vorsichtiger damit umgehen würden.
Manchmal, wenn man die Kellertür öffnete, roch man sofort diesen besonderen Duft: eine Mischung aus Erde, Holz und der Süße der Trauben. Ein Geruch, der Kindheit bedeutet und längst vergangene Herbsttage lebendig macht.

